Im Wandel der Zeit

Mitten in einer kleinen Stadt bei Dresden steht ein Haus, verlassen und verfallen. Haus ist eigentlich die falsche Bezeichnung, denn schließlich heißt es viel treffender Villa Kolbe. Von außen immer noch von imposanter Architektur, zeigt es innen deutlich mehr Facetten seiner wechselvollen Geschichte. Zwei Mal war ich nun innerhalb von kurzer Zeit dort, erst mit Doreen und eine Woche später mit Danilo.

Mein erster Besuch war ein Ausflug in die Vergangenheit und daher kam auch nur Film zum Einsatz. Auch wenn es für das menschliche Auge durchaus als hell empfunden wird, es ist in der Villa recht düster. In weiser Voraussicht habe ich lichtempfindliche Filme eingepackt. Finster sieht leider auch die Zukunft der Villa aus, sie verfällt zunehmends. Das Dach ist in einem desolaten Zustand, Zeichen von eindringender Nässe sind an vielen Stellen zu sehen. Entsprechende Vorsicht ist beim Umhergehen geboten. Das gilt natürlich generell beim Betreten von verfallenen Gebäuden.

Das Haus wird im Inneren vom zentralen Treppenaufgang, auf alten Zeichnungen Halle genannt, dominiert. Hier, wie im Großteil des Erdgeschoss‘, lässt sich der Prunk und die Schönheit der Villa aus dem 19. Jahrhundert erahnen: geschnitzte Holzvertäfelungen, Fischgräten-Parkett und Stuckarbeiten. Doch schon beim Gang die Treppe hinauf trifft der Blick auf sprödes, kaputtes und hässlich-graues Linoleum. Der gesamte erste Stock hat offenkundig eine „Aufhübschung“ in den 1970er Jahren erfahren, samt fragwürdiger Tapeten, Fußbodenverkleidung mittels besagtem Linoleum und eigenartigen Lampen. Dieses Stockwerk habe ich daher bei beiden Besuchen fast komplett ausgelassen. Das Dachgeschoss hat hingegen wieder einiges zu bieten, Verfall und etwas wilde, moderne Kunst. Wer kommt auf die Idee, eine ganze Wand mit dem Schriftzug „Anwahltssohn“ zu verzieren?!

In der Moderne angekommen, hält nun auch fotografisch neue Technik in Form meiner digitalen Spiegelreflexkamera Einzug. Beim Ausflug mit Danilo hatte ich gar keine analoge Kamera dabei. Eigentlich hätte ich nicht mal meinen Rucksack mitnehmen müssen, da ich letzten Endes nur ein Objektiv genutzt habe. Doch da wäre ich ja nicht ich, wenn ich mich nicht abschleppen würde. Danilos Neugier führte dazu, dass wir Räume entdeckten, die ich mit Doreen noch nicht gesehen hatte. Insgesamt bietet die Villa 66 Zimmer, da kann man schon mal eins, oder auch ein paar mehr, übersehen. Vor allem ein recht großer, gefliester Raum mit von Efeu überwucherten Fenstern war eine lohnenswerte Entdeckung. Der Keller bietet auch noch weitere Räume, die wir aus Ermangelung an Licht jedoch nicht weiter erkundet haben.

Es gab in der Neuzeit offensichtliche Bestreben, das Gebäude zu sanieren. Davon zeugen entkernte Räume, gestapelte Ziegel und ein Bauwagen im verwilderten Grundstück. Der Denkmalschutz hat sich den Plänen, an gleicher Stelle einen Neubau zu errichten, zum Glück verweigert. Natürlich ist der Erhalt und die Sanierung einer Villa von 1890/91 mit 66 Zimmern eine Mammutaufgabe, doch ein Abriss wäre meiner Meinung nach ein Frevel. Die wunderschöne Villa hat Potential und vor allem eine wechselhafte Geschichte, die nicht einfach ausradiert werden sollte. Solange die Villa noch existiert und zugänglich ist, werde ich ihr wohl ab und an noch mal einen Besuch abstatten.

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