Polariod SX-70 – ein Experiment

Bei Sofortbildkameras denkt jeder sofort an den Namen Polaroid. Kein Wunder, war es doch genau diese Firma, die das Prinzip weltbekannt und zu einem Erfolg gemacht hat. Dennoch hat es mich zur Firma Fuji verschlagen, als es um das Thema Sofortbildkamera ging. Wobei das nicht ganz richtig ist. Triebfeder war seinerzeit eher meine Frau und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ohne sie hätte ich diese Art der Fotografie weiterhin als Party-Gag und Spielerei abgetan. Wer mich noch davon überzeugt hat, dass eine Instax kein reines Lifestyle-Spielzeug ist und was ich von der Fuji Instax Wide 300 halte, habe ich bereits in einem anderen Beitrag niedergeschrieben.

Warum die SX-70?

Wie auch dort schon zu lesen ist, legt die Instax beim Fotografieren Restriktionen auf, die enger kaum sein könnten. Einfluss lässt sich auf die Fotos kaum nehmen. Vor allem in der Menschenfotografie ist gerade die mangelnde Fokussiermöglichkeit ungünstig. Anders erscheint da die Polaroid SX-70, die nach dem Spiegelreflexprinzip funktioniert und ein mehr oder weniger genaues Fokussieren ermöglicht. Blende und Belichtungszeit einstellen kann man bei ihr aber auch nicht. Die Preise für eine SX-70 hatten mich vor einiger Zeit vom Kauf abgehalten. Dummerweise habe ich mich damals aber auch nur auf der Seite von Polaroid Originals schlau gemacht. Die dort angebotenen Kameras sind jedoch praktisch neuwertig und kosten entsprechend über 350€. Eine gebrauchte SX-70 kostet hingegen, je nach Zustand und Modell, zwischen 60€ und 150€. Das liegt in einem deutlich verträglicheren Rahmen und führte letztlich zum Kauf.

Meine SX-70

Schlussendlich ist es eine SX-70 Modell 2 mit PolaSonic geworden. Letzteres ist ein mittels Ultraschall funktionierender Autofokus, der zwar ulkig aussieht, jedoch relativ zuverlässig seinen Dienst verrichtet. Anders der Rollenmechanismus, der für eine Verteilung der Chemie und damit die Entwicklung des Sofortbildes sorgt. Der war etwas zu verschmutzt, sodass die Bilder nicht ausgeworfen wurden, sondern im wörtlichen Sinne hängen blieben. Nach einer Reinigung funktioniert auch er wieder.

Sucher und Fokus

Die SX-70 ist dem Grunde nach eine Spiegelreflexkamera, mit den bekannten Vorteilen – z.B. kein Parallaxefehler und direktes Fokussieren. Der Sucher ist jedoch meilenweit davon entfernt, gut zu sein. Sein offenes Prinzip sorgt dafür, dass man nur in einem bestimmten Blickwinkel wirklich etwas sieht. Eine genaue Fokussierung ist damit ins Reich der grauen Theorie zu verbannen. Das ist bei eine fixen Blende von f/8 aber auch nicht so wirklich von Bedeutung. Besser als die zwei einstellbaren Entfernungen bei der Instax ist es allemal.

Verschluss und Objektiv

Der Verschluss arbeitet vollkommen automatisch und man hat bis auf eine Belichtungskorrektur keinerlei Einfluss auf sein Verhalten. Je nachdem, was der Belichtungsmesser vorgibt, wird eine Belichtungszeit zwischen 1/175s und mehreren Sekunden realisiert. Das klingt erstmal nicht schlecht, doch unter Beachtung der Brennweite von 116mm und der Filmempfindlichkeit von ISO160 sieht man schnell, dass die SX-70 Licht braucht, sehr viel Licht. Andernfalls sind keine verwacklungsfreien Fotos möglich. Dafür kann man mit ihr auch gut Langzeitbelichtungen machen und Bewegung kreativ einsetzen.

Filmangebot

Polaroid Originals bietet derzeit 2 verschiedene Filme für die SX-70 an, einen Farb- und einen Schwarzweißfilm. Beiden gemein ist die Empfindlichkeit von ISO160. Anders als die ursprünglichen Filmpacks beinhalten die jetzt erhältlichen nur noch 8 Fotos und nicht mehr 10. Gleich geblieben ist logischerweise, dass eine Batterie im Filmpack enthalten ist, die die Kamera speist. Ohne eingelegtes Filmpack ist also auch kein echter Test der Kamera möglich.

Erste Tests

Ich habe für die ersten Fotos komplett auf den internen Belichtungsmesser gesetzt und heraus kamen abstrakte, verwaschene Fotos von Pflanzen in unserer Wohnung. Aus der Not habe ich dann eine Tugend gemacht und versucht, es als Stilmittel einzusetzen. Als Lena mich besuchte, wollte ich auch wieder solche abstrakten Fotos von ihr machen. Dafür nahm ich dann mal meinen Belichtungsmesser zur Hand und dachte, mit 1s Belichtungszeit wäre ich auf der sicheren Seite. Weit gefehlt! Die SX-70 hat anders gemessen und es kamen nur leicht verwackelte Fotos heraus. Was für ein Mist! Nun ja, auch das habe ich dann versucht zu nutzen. Die Belichtungsmessung der SX-70, wenngleich sie zu halbwegs korrekt belichteten Fotos führt, ist immer noch ein Glücksspiel und im Vornhinein nur bedingt abschätzbar.

Weitere Tests

Nach der Ernüchterung der ersten Tests, habe ich mich der SX-70 noch mal angenommen. Das Video von Analog Insights hat mich dazu bewogen, der SX-70 noch eine Chance zu geben. Diesmal kam sie mit auf ein paar Touren durch den Loben bei Gorden in Brandenburg. Sowohl Farb- als auch Schwarzweißfilm kamen zum Einsatz, da ich jeweils noch ein Pack davon da hatte. Doch auch dieses Mal konnte mich das Filmmaterial von Polaroid nicht überzeugen. Wieder war ich gefrustet über die miesen Ergebnisse: kontrastarm, verwaschen und, im Falle vom Farbfilm, Farbverschiebungen, dazu noch die immer auftretenden Bildfehler. Nein, das ist nichts, was mich reizt oder irgendwie an der Kamera festhalten lässt. Ganz im Gegenteil, das war das letzte Mal, dass ich mit der SX-70 fotografiert habe. Ich bin niemand, der absolute Perfektion erwartet, sonst würde ich kaum analog fotografieren. Doch die Polaroid-Filme sind in meinen Augen einfach nur Schrott; sehr, sehr teurer Schrott.

Mängel und Einschränkungen

Nun noch abschließend ein paar Worte zu den beiden erhältlichen Filmen. Allgemein sind die Filme sehr pingelig, was die Temperatur betrifft. Ist es zu kalt, werden sie vollkommen blass, fast weiß. Ist es zu warm, nimmt die Sättigung kräftig zu und es kommt zu üblen Farbverschiebungen. Die Farbfilme mögen nach meinen ersten Erfahrungen keine Überbelichtung und sollten lieber etwas unterbelichtet werden. Die Lichter fressen sehr schnell aus und nehmen eine gelbliche Tönung an. Die Monochrome-Filme sind, wie bei Fuji Instax auch, keine echten Schwarzweißfilme. Sie zeigen eine etwas wärmere Grundtonung als die Instax‘.
Was mir zudem aufgefallen ist, sind die fast immer auftretenden Bildfehler. Das mag manchmal spannend sein. Oft ruinieren sie jedoch das Bild oder verfälschen es zumindest maßhaltig. Diese Fehler liegen nicht an der Kamera, denn auch andere Fotografen berichten von ähnlichen Problemen (auch für Polaroid 600 Film), u.a. der von mir sehr geschätzte Nick Carver. Auch scheinen teilweise die einzelnen Fotos im Pack leicht zusammen zu kleben und damit einen sicheren Auswurf zu verhindern. Diese Fehler sind auf die Produktion zurück zu führen und für mich bei dem Preis inakzeptabel.

Fazit

Insgesamt bin ich von der SX-70 kein Bisschen überzeugt und schon gar nicht begeistert. Das liegt an den Schwächen der Kamera an sich, aber vor allem an den Unzulänglichkeiten und der Unberechenbarkeit der Filme. Zudem sind die Polaroid-Filme exorbitant teuer, 17-18€ pro Pack, also über zwei Euro pro Bild! Bei der Instax Wide kommt man auf Preise zwischen 0,84 bis 1,35 €/Bild und das bei einer, für mich subjektiv und objektiv betrachtet, besseren Qualität.
Und so kommt es, wie es kommen musste, die SX-70 wanderte zu Ebay als die letzten Filme belichtet waren. Ich habe bei Lomography ein Instax Wide Back für meine Großformatkamera gekauft, damit ich die genauen Einstellmöglichkeiten der Kamera mit der guten Bildqualität der Instax-Filme kombinieren kann. Das ist die viel bessere und günstigere Alternative.


Trivia

In der Star-Wars-Serie „Andor“ auf Disney+ dient eine SX-70 als Basis für Nemiks Navigationsgerät.

4 Replies to “Polariod SX-70 – ein Experiment”

  1. Hallo Herr Neugebauer, soweit ich sehen konnte haben die Instax-Filme 800 ASA. Reichen dafür die kleinste Blende und die kürzeste Zeit der Großformatobjektive für Außenaufnahmen vor allem im Sommer aus ? Bei meinen Objektiven sind die kürzeste Zeit 1/500 und die kleinste Blende 45. Danke und analoge Grüße Meier

    1. Hallo Herr Meier,
      ja, auch im Sommer sind 800 ASA bei Großformatobjektiven relativ unproblematisch. Selbst bei einem EV von 16 bedeutet das für f/45 eine Belichtungszeit von 1/250s. Meist habe ich jedoch selbst im Sommer eher einen EV 14.
      So oder so, in die Sonne darf man mit dem Instax-Film nicht fotografieren, da es sonst zu einer Art Solarisation kommt, die nicht unbedingt hübsch ist.
      Beste Grüße aus Dresden

  2. Zu den gezeigten SX-70 Aufnahmen möchte ich bemerken, dass hier ziemlich klar ein erheblicher Qualitätsunterschied zu dem ursprünlichen Filmmaterial von Polaroid zum Ausdruck kommt. Meine subjektive Erfahrung diesbezüglich: Die alten 10er-Filme waren besser, was Schärfe, Farben, Kontrast u. Dynamik betrifft. Mit dem neuen „wiederbelebten“ Material habe nur zwei Filme belichtet, so kann ich mich ja auch getäuscht haben.
    mfG t.wüthrich

    1. Dem kann ich nicht widersprechen. Leider gibt es ja keine frischen, nutzbaren Originalfilme von Polaroid mehr.
      Grüße, Paul

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