Vor recht langer Zeit hat mir mein Schwager eine Zeiss Ikon Ercona überlassen, die wahrscheinlich um 1950 rum gebaut wurde. Sie hat jetzt also knapp 70 Jahre auf dem Buckel, funktioniert jedoch noch recht gut. Der Junior-Verschluss ist nicht gerade ein technisches Meisterwerk, dafür jedoch robust und zuverlässig. Dennoch landete sie erstmal im Regal. Bis auf einen Testfilm habe ich nie so richtig die Muse gefunden, mit ihr zu fotografieren. Das sollte sich aber ändern. Nachdem ich das Objektiv ein wenig zerlegt und gereinigt hatte, war die alte Dame wieder einsatzbereit. Sie hat mittlerweile zwei ähnlich geartete an ihre Seite bekommen und jetzt war dann auch die Zeit reif für einen Ausflug.
Bei Ebay stolperte ich ein paar Wochen nach dem Erhalt der Ercona über eine Adox Golf 63 aus den 1950er Jahren und ersteigerte es für 1€ zuzüglich Versand. Ich habe also nicht mal 8€ für sie bezahlt. Für den Preis macht man absolut nichts falsch mit ihr. Mein Exemplar wurde wahrscheinlich 1954/55 gebaut. Den Verschluss musste ich ein paar mal auslösen, damit er wieder sauber lief, doch mehr war nicht zu tun.
Vor ein paar Wochen schrieb mich dann Axel an, dass er eine Balda Baldax hätte, die er nicht mehr brauchte. Da musste ich keine Sekunde überlegen und griff zu. Sie wurde wahrscheinlich um 1932 gefertigt und ist damit die älteste meiner Kameras. An ihr musste ich gar keine Wartung vornehmen, denn trotz ihrer knapp 90 Jahre läuft sie wie geschmiert.
Was haben alle drei Kameras gemein? Eigentlich ziemlich viel. Sie alle sind Faltkameras, besitzen einen Zentralverschluss, nehmen 120er Rollfilm auf und haben außer einer Entfernungsangabe auf dem Objektiv keinerlei Fokussierhilfen. Und noch eine Eigenschaft eint sie: sie machen verdammt viel Spaß beim Fotografieren. Auch die Aufmerksamkeit von anderen Leuten ist mit ihnen garantiert. Sie unterschieden sich natürlich auch in ein paar Punkten. Das Format ist bei allen drei Kameras anders, die Baldax belichtet den Rolli im Format 6×4,5, die Adox bringt 12 Fotos in 6×6 unter und die Ercona bannt Bilder im 6×9-Format. Logischerweise besitzen alle drei auch unterschiedliche Objektive. Die Zeiss Ikon besitzt ein 110mm f/4.5 Novar-Anastigmat mit Junior-Verschluss, die Adox ein 75mm f/6.3 Adoxar von Will aus Wetzlar mit Vario-Verschluss und die Balda ein Carl Zeiss Jena 7,5cm f/4.5 Tessar mit Compur-Verschluss. Die älteste Kamera besitzt witzerweise den besten Verschluss und auch das beste Objektiv.
Solche alten Kameras, alle drei älter als meine Eltern, verlangen nach einem adäquaten Film. Meine Wahl fiel dabei auf den Rollei Retro 400S. Okay, das lag auch daran, dass ich davon noch viel zu viel habe und die Rollen so langsam ihr Ablaufdatum erreichen. Doch am Ende hat sich die Wahl als richtig herausgestellt. Die Charakteristik des 400S passt perfekt und lässt die Fotos nostalgisch anmuten. Seine Empfindlichkeit von ISO400 hat zudem dafür gesorgt, dass ich trotz der lichtschwachen Objektive nicht zu oft lange Belichtungszeiten wählen musste. Die Kratzer auf den Negativen bzw. die wenigen Staubflecken hab eich bewusst nicht retuschiert, da die Fotos sehr von ihrer Stimmung leben und nicht von technischer Perfektion.
Bevor ich alle drei Falter mit auf einen Ausflug mitgenommen habe, habe ich einen Film durch die Baldax „gejagt“. Es sind Alltagsaufnahmen bei einem Spaziergang mit meinem Sohn entlang der Elbe und in Altpieschen entstanden.
Der eigentliche Ausflug mit den drei Faltern folgte kurze Zeit später und führte uns durch die junge Heide im Nordwesten von Dresden. Dank des Geocaching-Hobbies meiner Frau kommen wir in letzter Zeit sehr viel rum und entdecken immer wieder neue, schöne Orte. Die Junge Heide habe ich vorher gar nicht als solches wahrgenommen, erst die Cache-Suche hat sie mir bekannt gemacht. Zum Glück! Der Wald ist wirklich schön und vor allem wenig frequentiert. Dazu kam am Tag unseres Ausflugs auch noch die tief stehende Wintersonne und die Szenerie für meine drei Falter war bereitet. Es war ein schöner Ausflug, der auch meinem Sohn Emil sehr gefallen hat.
Nach dem Entwickeln ist mir dann aufgefallen, wie schlecht ich doch im Schätzen der Entfernungen bin bzw. wie oft ich es vergessen habe, die Entfernung neu einzustellen. Dazu kamen noch ein paar völlig überbelichtete Fotos, die jedoch eher der Technik geschuldet waren. Die langen Zeiten laufen bei allen drei Kameras etwas zu langsam ab und entsprechend hell werden dann die Fotos. Egal, mir gefallen die Ergebnisse dennoch gut. Vor allem die Baldax und die Adox haben mich überzeugt. Die Ercona verlangt noch nach einer Justage des Objektivs, da hier der Anschlag bei Unendlich nicht passt. Oder ich gehe noch einen Schritt weiter und lege mir eine Zeiss Ikon Ikonta 520 aus den 1930er Jahren zu, die wie die Baldax mit einem Tessar und dem Compurverschluss ausgestattet ist.
Gegenlicht ist für Kameras dieses Alters immer eine Herausforderung und die Ergebnisses sind natürlich nicht vergleichbar mit denen neuerer, noch besser bzw. überhaupt vergüteter Objektive. Aber, und das ist mir viel wichtiger, sie haben dennoch Charakter und vor allem Charme. Alles in allem gefallen mir die Ergebnisse. Es zeigt mir wieder, dass es nicht auf technische Perfektion ankommt. Selbst mit einer fast 90 Jahre alten Kamera kann man schöne Fotos machen.
Mit einer Ercona I, so wie sie hier abgebildet ist, bin ich faktisch groß geworden. Vor exakt 50 Jahren (wir schreiben das Jahr 2024) habe ich damit meine ersten tapsigen Schritte in Sachen Fotografie unternommen.
Ich würde die Kamera weder als besonders gut noch als sehr schlecht bezeichnen.
Man muss sich halt mit dem geringen Spektrum an Belichtungszeiten arrangieren.
Das Novar 4.5/ 11 cm stammt noch aus der Vorkriegszeit. Es zeichnet sich nicht gerade durch eine besondere Abbildungsleistung aus. Aber ab Blende 8 und kleiner kommen schon ganz gute Bilder zustande.
Interessant ist dass die lange Brennweite sowohl in 6 x 9 als auch in 6 x 6 relativ verzerrungsfrei abbildet.
Dadurch wird die Kamera für Panoramabilder interessant .
Die Ercona ist eine Kamera mit Ecken und Kanten. Aber das Fotografieren mit ihr ist nicht uninteressant.